Soja, Hülsenfrüchte, Getreide und Gemüse: Unsere pflanzlichen Lebensmittel enthalten zahlreiche kleine Stoffe, die sie vor Fressfeinden schützen. Diese Substanzen können zum Teil schädlich für den menschlichen Verdauungstrakt und damit für den gesamten Stoffwechsel sein. Die Auswirkungen können sich über akut spürbare Symptome spezifischem Mikronährstoffmangel bis zum Leaky Gut Syndrom bemerkbar machen. Doch nicht jeder Antinährstoff schadet uns und es gibt Möglichkeiten, die Lebensmittel so zuzubereiten, dass die kleinen Stoffe unschädlich gemacht werden.
Was sind Antinährstoffe?
Antinährstoffe gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen. Damit sind sie keine Makro- oder Mikronährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette, Proteine, Vitamine, Spurenelemente oder Alkohol. Dennoch sind sie kleinste Bestandteile der jeweiligen Pflanze und haben eine Funktion: Sie schützen die Pflanze vor Fressfeinden und Krankheitserregern wie Bakterien und Pilzen. Sie sind also sozusagen natürliche Pestizide. Sie können Enzyme der Angreifer hemmen und sie so zerstören. Wenn wir Menschen diese Stoffe über die Pflanzen in unserer Nahrung aufnehmen, werden wir zwar nicht getötet, aber auch in unserem Darm können Enzyme gestoppt und Entzündungen ausgelöst werden.
Antinährstoffe findet man vor allem in Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide in größeren Mengen, aber auch in Gemüse sind sie enthalten.
Hülsenfrüchte und Antinährstoffe
Hülsenfrüchte scheinen auf den ersten Blick immer ein gutes Nährstoffprofil zu haben, da sie einen hohen Proteingehalt aufweisen, sehr gut sättigen und auch als Fleischersatz beliebt sind. Sie enthalten jedoch viele der für uns problematischen sekundären Pflanzenstoffe und das in hohen Dosen. Eine hohe Anzahl solcher Substanzen ist unverträglich für unseren Darm1.
Zu den häufig auftretenden reizenden Stoffen gehören – neben Kuhmilch und Gluten (die man auch zu Antinährstoffen zählen könnte) – Lektine, Phytate, Saponine, Trypsin, Oxalsäure und Isoflavone. Diese Stoffe findet man in größeren Mengen in Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten wie Bohnen, Kichererbsen und Linsen, aber auch in geringeren Mengen in Nüssen. Erdnüsse gehören botanisch gesehen zu den Hülsenfrüchten und haben auch einen höheren Gehalt an Lektinen. Die primäre Problematik mit diesen Pflanzenbestandteilen ist, wie bereits erwähnt, die folgende: Sie hemmen wichtige Enzyme in unserem Verdauungstrakt, was einerseits zu entzündlichen Reaktionen an der Darmschleimhaut führen kann. Anderseits wird die Aufnahme von zahlreichen Mikronährstoffen verringert oder komplett blockiert1.
Es ist wichtig, dass man hier nicht schwarz-weiß denken sollte und das Mikrobiom im Verdauungstrakt so komplex ist, dass sich nicht jeder dieser Stoffe bei jedem Menschen gravierend auf die Verdauung auswirkt. Mancher Darm hat sich gut an diese Lebensmittel angepasst und je nach genetischer Herkunft sind die Substanzen weniger oder mehr problematisch. Dies kann sich auch im Laufe der Lebensjahre ändern, denn beim Altern und durch Lifestyleanpassungen verändert sich auch der Darm und das komplette Stoffwechselsystem.
Hinzu kommt, dass die Antinährstoffe in Hülsenfrüchten und anderen Lebensmitteln durch Fermentation und Einweichprozesse reduziert werden können. Weicht man beispielsweise rohe, harte Kichererbsen 8-12h in kaltem Wasser mit einem Schuss Zitronensaft ein, spült sie danach mehrmals gut in einem Sieb ab und koch sie erst dann, so enthalten sie einen deutlich geringeren Anteil an Antinährstoffen. Wenn man auswärts isst, kann man für diese Prozesse jedoch nicht garantieren, da kann es hilfreich sein, ein hochwertiges Supplement, das Verdauungsenzyme enthält, zum oder vor dem Essen einzunehmen.
Lektine
Lektine sind in verschiedenen Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten wie Soja, Linsen, Bohnen oder Erdnüssen und in geringen Mengen in Tomaten, Gurken und Kürbis enthalten. Sie können Kopf- und Magen-Darm-Beschwerden, Erbrechen und Durchfall auslösen. Vor allem, wenn die jeweiligen Lebensmittel roh verzehrt werden, sind die Lektine sehr problematisch. Es kann sogar gefährlich sein, wenn Linsen oder Bohnen roh gegessen werden. Sie können durch Hitze, also durch das Kochen der Lebensmittel teilweise zerstört werden. Werden Hülsenfrüchte und Co. 8-12 Stunden in Wasser und einem Schuss Zitronensaft eingeweicht und anschließend gut ausgespült und dann noch gekocht, werden die Lektine am erfolgreichsten entfernt.
Weizenkeim-Lektin ist sehr hitzestabil und wird nur beim Fermentieren zerstört, demnach sind nur Sauerteige praktisch Lektin-frei1.
Phytate
Phytat befindet sich in Hülsenfrüchten, in geringer Menge auch in manchen Nüssen und Goldleinsamen, aber vor allem in sehr nennenswerten Mengen in Soja und Vollkorngetreide. Problematisch ist, dass diese Phytate Mikronährstoffe wie Kalzium, Eisen, Magnesium, Kupfer und Zink aus der Nahrung binden und damit die Aufnahme in dieser Stoffe im Darm verhindern1. So können diese Nährstoffräuber einen Mikronährstoffmangel begünstigen. Zusätzlich hemmen sie Verdauungsenzyme und stören somit eine optimale Verdauung1.
Weizenkleie wurde häufig als sehr eisenhaltig propagiert – was in der Theorie stimmt. In der Praxis jedoch können die Eisenionen nicht resorbiert werden, da die Phytinsäure im Weizen sie bindet und somit nicht für die Resorption freigibt. So wird der Mikronährstoff einfach wieder ausgeschieden. Auch hier ist die Fermentation und das Einweichen der Lebensmittel eine Hilfe, um die Phytatgehalte in der Nahrung zu reduzieren. Auch bei der Einnahme von Supplementen, die die genannten Mikronährstoffe enthalten, sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht gemeinsam mit Phytinsäure haltigen Lebensmitteln eingenommen werden.
Trypsin
Trypsin ist in Weizen, Roggen, Gerste, Kamut, Dinkel, Emmer, Soja, Buchweizen, Hirse, Teff und Einkorn zu finden. Dieser Antinährstoff hemmt Enzyme, die Stärke aufspalten, wodurch toxische Stoffe im Darm entstehen können. Durch die Fermentierung kann Trypsin teilweise abgebaut werden, womit auch hier wieder Sauerteig die bessere Option ist1.
Saponine
Saponine befinden sich unter anderem in Spinat, rote Beete, Spargel, grünen Bohnen, Soja, Blättern von grünem Tee, Erdnüssen und Zuckerrüben. Diese Substanzen können die Hämolyse fördern, also einen Vorgang, der die Lebensdauer von roten Blutkörperchen verkürzen kann3. Durch Erhitzen der Lebensmittel werden Saponine stark vermindert und die dazu genannten Gemüsesorten enthalten dafür wichtige Mikronährstoffe und Ballaststoffe, weshalb sie in gekochtem Zustand unbedenklich sind. Auch bei grünem Tee ist das Problem durch das Kochen des Tees aufgehoben.
Oxalate
Oxalsäure gehört zu den Oxalaten und ist in Vollkorngetreide, Spinat, rote Beete, Mangold, Rhabarber, Nüssen, Kakao, Sauerampfer und schwarzem Tee zu finden. Sie kann eine verstärkte Neigung zu Störungen der Blutgerinnung und Harnsteinbildung begünstigen1. Für Menschen, die Nieren- oder Harnsteine haben oder hatten, sind Lebensmittel mit Oxalsäure tabu. Für alle anderen ist dieser Pflanzenstoff meist unproblematisch und kann durch Blanchieren, kochen und Erhitzen ohnehin größtenteils aufgelöst werden1.
Isoflavone
Isoflavone sind eine weitere sekundäre Pflanzenstoffform. Vor allem die Phytoöstrogene sind hier problematisch, denn sie docken an den Östrogen-Rezeptoren an. Auch wenn sie im chemischen Sinn keine Östrogene sind, wirken sie Östrogen-ähnlich. Sie sind also sehr problematisch, da sie in das Hormonsystem eingreifen und in der heutigen Welt eine Östrogen-Dominanz ohnehin schon weit verbreitet ist (durch Verhütungsmittel wie die Pille, Mikroplastik und andere Umweltveränderungen). Phytoöstrogene findet man in großen Mengen in Soja und allen Sojaprodukten und in etwas geringeren Mengen in Wein und Bier. Vor allem Soja sollte aus diesem und weiteren Gründen meist gemieden werden.
Die Problematik mit Soja
Es ist nicht schwer zu erkennen, dass fast alle Antinährstoffe einen gemeinsamen Nenner haben, nämlich die Sojabohne. Zusammengefasst enthält sie Saponine, Trypsin, Phytate, Lektine und Phytoöstrogene und alle davon in beträchtlich hohen Mengen. Unter anderem deswegen kann man sie auch gut in Monokulturen billig anbauen, denn sie ist sehr widerstandsfähig gegenüber Fressfeinden und Parasiten mit all diesen Schutzsubstanzen. Für unseren Verdauungstrakt und unser Hormonsystem ist sie jedoch nicht förderlich und kann somit unsere Darmgesundheit verschlechtern, die Aufnahme von wichtigen Mikronährstoffen hemmen und eine Östrogendominanz fördern.
Die Bohne hat zwar tatsächlich einen sehr hohen Proteinanteil, jedoch besitzt sie viele der oben genannten Antinährstoffe, ist meist durch das Waschen in speziellen Tanks Schwermetall belastet, kann genmanipuliert sein und enthält zudem Phytoöstrogene. Dies sind Stoffe, die an unseren Östrogenrezeptoren ansetzen und somit unseren Hormonhaushalt durcheinanderbringen. Sollte Soja dennoch in Erwägung gezogen werden, so wäre die etwas optimalere Quelle Tempeh, da dieses Produkt durch den besonderen Fermentierungsprozess besser verträglich wird.
Soja ist durch seine Omega-6-Fettsäuren ein Entzündungsförderer und ist außerdem häufig mit Schwermetallen belastet, die weitere Entzündungsprozesse im Organismus auslösen. Auch wenn Soja zwar einen hohen Proteingehalt aufweist, hemmen die genannten Antinährstoffe die Proteinspaltenden Enzyme, weshalb die Bioverfügbarkeit des Sojaproteins keinen guten Wert hat2.
Die zusätzlich enthaltenen Goitrogene in der Sojabohne können die Vergrößerung der Schilddrüse hervorrufen, da sie die Jodaufnahme in der Schilddrüse hemmen. Dadurch kann die Schilddrüse nicht mehr in ausreichender Menge deren Hormone bilden3. So enthält Soja neben den Phytoöstrogenen noch einen weiteren Stoff, der das Hormonsystem durcheinanderbringen kann. Es bleibt zu sagen, dass es auch hier Ausnahmen gibt und manche Menschen Soja in kleineren Mengen vertragen. Sollte dies der Fall sein, sind hier nur fermentierte Sojaprodukte wie Tempeh zu empfehlen, denn durch den Fermentationsprozess werden auch hier ein Teil der Antinährstoffe beseitigt.
Hülsenfrüchte und Antinährstoffe und die Ausnahme Erbsen
Wie auch die Sojabohne enthalten die meisten Hülsenfrüchte eine höhere Anzahl und größere Mengen davon an Antinährstoffen. Deswegen sollten sie bei einer Darmsanierung auch erstmal gemieden werden. Dazu gehören Kichererbsen, Linsen, Bohnen und Erdnüsse. Wer sie langfristig genetisch und mikrobiell bedingt besser verträgt, sollte sie immer wie schon weiter oben beschrieben einweichen, gut abspülen und unbedingt kochen.
Grüne Erbsen und grüne Brechbohnen sind hier die Ausnahme: Sie zählen zwar botanisch zu den Hülsenfrüchten, enthalten aber nur sehr geringe Mengen der genannten Antinährstoffe. Übrigens, die grüne Erbse ist die unreife Version der gelben Erbse, welche ausgereift dann wieder höhere Mengen an Antinährstoffen wie Phytoöstrogenen enthalten. Grüne Erbsen sind außerdem für ein Gemüse relativ Proteinhaltig (5-8g/100g).
Fazit
Es gibt neben den Nährstoffen zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe, die potenziell problematisch für unseren Darm und sein können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir keine dieser Pflanzen mehr essen sollten, sondern vielmehr, dass wir individuell darauf hören sollten, was für mögliche Reaktionen unser Körper auf diese Lebensmittel hat. Da Hülsenfrüchte, vor allem Soja und auch Getreide Antinährstoffe in hohen Mengen enthalten, sollten vor allem bei diesen Lebensmitteln Vorsicht geboten sein. Wer seine Darmschleimhaut regenerieren muss (mehr zum Thema "Leaky Gut Syndrom"), sollte drei Monate komplett auf diese Pflanzen verzichten. Danach kann jedoch individuell erforscht werden, ob man beispielsweise Fermentierte Produkte wie Sauerteigbrot oder unter den beschriebenen Einweichbedingungen auch Hülsenfrüchte verträgt. Das Ziel sollte immer sein, seinen Körper genau kennenzulernen und so zu entscheiden, welche Lebensmittel man essen sollte. Der menschliche Organismus ist zu komplex als dass man sagen könnte, für jeden Menschen ist dieselbe Ernährung richtig.
Quellen:
1 Frankenbach, Thomas (2021): Dein innerer Ernährungsberater - Wie wir mit somatischer Intelligenz mehr erreichen als mit jeder Diät. Berlin: Audible Studios.
2 Sotelo-Lopez, A.; Hernandez-Infante, M.; Artegaga-Cruz, M. E. (1978): Trypsin inhibitors and hemagglutinins in certain edible leguminosae. In: Archivos de investigacion medica 9 (1), S. 1–14.
3 Doerge D. R., Sheehan, D. M.: “Goitrogenic and estrogenic activity of soy isoflavones”. Environ Health Perspect, Juni 2002; Vol. 110 (3), S. 349-53