Der Mythos, nach 18 Uhr sollen keine Kohlenhydrate mehr gegessen werden, hält sich immer noch tapfer. Aber was hat es mit diesem Ratschlag auf sich? Wie können Kohlenhydrate tatsächlich smart eingesetzt werden? Carb Timing, also der bewusste Einsatz von Kohlenhydraten zum richtigen Zeitpunkt, ist ein sehr smartes Tool in einer gut gesteuerten Ernährung und kann diverse körperliche und gesundheitliche Ziele unterstützen. Oftmals wird der Begriff jedoch missverstanden, weswegen das Thema Carb Timing hier genauer erläutert wird.
Carb Timing – was ist es und was kann es?
Der Begriff Carb Timing sagt es schon: Es geht darum, Kohlenhydrate sinnvoll zu timen, sie also zum richtigen Zeitpunkt zu essen. Der Begriff Nutrient Timing bezieht sich allgemein auf den zeitlich bewussten Einsatz von den verschiedenen Nährstoffen. Mehr dazu folgt weiter unten im Text. Carb Timing und Nutrient Timing unterstützt dabei, den Blutzucker stabil zu halten und entsprechend Energietiefs und Heißhungerattacken zu reduzieren. Außerdem wird mit dem Einsatz von Kohlenhydraten zum richtigen Zeitpunkt, beispielsweise nach dem Krafttraining, der Muskelaufbau maximal gefördert. Auch den Schlaf kann Carb Timing optimieren, denn die richtigen Kohlenhydrate am Abend fördern unter anderem die Ausschüttung der Entspannungs- und Schlaf Hormone und reduzieren Blutzucker Tiefs in der Nacht.
Physiologische Begründung für Carb Timing und Nutrient Timing
Es gibt immer wieder Kritiker, die der Meinung sind, Carb Timing und Nutrient Timing würde absolut keinen Sinn ergeben, da aus ihrer Sicht lediglich die Makronährstoffe und die Kalorienbilanz zählt. Oft hört man Sätze wie „Kalorien wissen nicht, wie viel Uhr es ist!“. In der Tat, die Kalorien wissen das nicht, unser komplexes Hormonsystem differenziert jedoch sehr genau, unter welchen Umständen die jeweiligen Kalorien oder eben Makronährstoffe im Darm und im Blutkreislauf ankommen. Dies kann physiologisch auch einfach erklärt werden:
Unser Hormon- und Nervensystem ist einfach gesagt ein Steuer- und Überwachungssystem. Das Nervensystem nimmt Reize auf, die das Gehirn dazu veranlasst, Signale an den Organismus weiterzuleiten, die zu verschiedensten Reaktionen führen.
Dabei sorgen Hormone und Neurotransmitter als Signale für den Informationsfluss. Die verschiedenen Hormone hängen in einem extrem komplex System zusammen und stehen in diversen Wechselwirkungen zueinander, sodass eine kleine Veränderung an einem Zentralpunkt sich auf alle anderen auswirken kann. Welche Informationen letztlich an den Körper weitergeleitet werden, hängt von den verschiedensten Umwelteinflüssen und bereits innerlich stattfindenden Hormonprozessen ab.
Ob wir uns bewegen, ob wir gut und rechtzeitig geschlafen haben, ob wir viel Körperfett oder viel Muskeln haben, ob wir uns gestresst fühlen und dadurch viele Stresshormone ausschütten, ob wir schnellen oder langsamen Zucker essen, ob unser Darm gesund ist und ob wir unseren Blutzucker mit anderen Nährstoffen zuerst stabilisiert haben und auch unsere Entzündungswerte beeinflussen, was unser Körper mit den Kohlenhydraten macht …
Er kann sie nach dem Sport nutzen, um die geleerten Muskelspeicher zu füllen und zu erweitern, er kann sie bei hohem Verbrauch als direkte Energie nutzen, er kann sie aber bei einem kurzzeitigen Überfluss rasant in der Leber in Fette umwandeln und diese als Körperfett einspeichern.
Natürlich spielt am Ende auch die Gesamtbilanz der Kalorien und der Carb Intake (die gesamthaft konsumierten Kohlenhydrate) eine Rolle. Es geht immer um alles: Was und wie und das wie viel.
Wann Kohlenhydrate zu sich nehmen – Carb-Timing
Zum Frühstück sollten bei den meisten Leuten keine Kohlenhydrate gegessen werden. Besser ist es, in der ersten Mahlzeit des Tages den Blutzucker mit hochwertigem Protein, guten Fetten sowie Vitaminen und Ballaststoffen in Form von Gemüse oder Beeren zu stabilisieren.
Damit setzt man die richtigen Hormonsignale für den Tag, welche für einen guten Fokus sorgen und Energietiefs vorbeugen.
Über den Tag hängt es ganz davon ab, was man für einen allgemeinen Lebensstil hat und in welcher aktuellen Verfassung sich der eigenen Körper befindet. Ein paar einfache Faustregeln zum individuellen Carb Intake sehen folgendermaßen aus:
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Je mehr Körperfett um die Körpermitte (Bauch und Hüfte), desto weniger Kohlenhydrate sollten allgemein gegessen werden.
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Je mehr Muskelmasse und je weniger Körperfett man hat und je mehr man intensiv Sport betreibt, desto mehr Kohlenhydrate können auch als Snacks, zum Mittag und zum Abendessen gegessen werden.
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Nach intensivem Krafttraining sollten bei wenig Körperfett innerhalb von einer Stunde Kohlenhydrate, z.B. Haferflocken, Banane, Reiswaffel usw. gegessen werden, um die Muskelspeicher aufzufüllen und die Wachstumshormone für den Muskelaufbau zu fördern.
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Wer schlecht ein- oder durchschläft, sollte, auch bei mehr Körperfett um die Körpermitte, zumindest abends 2h vor dem Schlafen komplexe Kohlenhydrate wie Quinoa, Buchweizen, glutenfreie Haferflocken oder Kartoffeln essen, um die Schlaf- und Wachstumshormone nachts zu fördern.
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Generell sollte bei dem Ziel von Muskelaufbau und der Ausgangslage von wenig Körperfett zu jeder Mahlzeit außer zum Frühstück Kohlenhydrate gegessen werden.
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Wer sich allgemein wenig bewegt und viel herumsitzt (z.B. im Home-Office) sollte weniger Kohlenhydrate essen – am besten erst nachmittags und abends. Denn bei wenig Bewegung werden die Kohlenhydrate meistens direkt in Körperfett umgewandelt und eingespeichert und sie machen müde.
Was macht eine Timing-Diät aus?
Carb Timing und Nutrient Timing hat einen großen Einfluss darauf, unter welchen Umständen man körperliche und gesundheitliche Ziele verfolgt. Mit dem Einsatz von Kohlenhydraten zum richtigen Zeitpunkt und dem Stabilisieren des Blutzuckers können Energietiefs und Heißhungerattacken vermieden werden, was letztlich dazu führt, dass weniger Gesamtkalorien gegessen werden und daher der übermäßige Carb Intake in Form von Zucker. Denn bei unkontrolliertem Essen ist Zucker immer ein schnelles Mittel in der Not. Die Ernährungsweise kann sich dadurch nachhaltig etablieren und wird nach einer harten Zeit aus Disziplin nicht beim nächsten schwachen Moment über den Haufen geworfen und mit einem Jo-Jo-Effekt gekrönt.
Wer also langfristig eine bewusste Ernährung erhalten möchte, die den Körper in Balance hält und einen langfristig schlank und definiert oder auch muskulös aussehen lässt und vor allem die Gesundheit fördert, der sollte sich mit dem Thema Carb Timing auseinandersetzen.
Abends kohlenhydratarm essen? Carb-Timing richtig einsetzen
Wie oben bereits angesprochen, macht der Mythos „nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate“ wenig Sinn! Vielmehr sollte das Carb Timing so gestaltet werden, dass morgens keine Kohlenhydrate gegessen werden und sie möglicherweise abends den Schlaf unterstützen. Abends sollten also nur diejenigen kohlenhydratarm essen, die einen guten Schlaf haben. Wer viel Körperfett um die Körpermitte hat, sich wenig bewegt und wenig Muskulatur hat, sollte den persönlichen Carb Intake ohnehin erst mal einige Wochen stark reduzieren und Low Carb essen. Richtig eingesetztes Carb Timing orientiert sich an den weiter oben genannten Umständen und führt so auch zum Erfolg.
Nutrient-Timing & Carb Timing im Vergleich
Nutrient Timing bedeutet wie bereits beschrieben, dass die verschiedenen Nährstoffe bewusst zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Dabei kann man den Begriff im engeren Sinne auf die Makronährstoffe Kohlenhydrate, Protein und Fett beziehen, im weiteren Sinne aber auch auf die Mikronährstoffe. Denn auch dort spielt es für den Körper eine Rolle, wann was aufgenommen wird. Wer lediglich auf das Carb Timing achtet, beeinflusst damit automatisch auch das gesamte Nutrient Timing. Wenn man jedoch beides planen möchte, dann gilt folgendes: Protein gehört immer zu jeder Hauptmahlzeit und am besten auch zu Snacks dazu, egal ob Low Carb oder High Carb. Wenn Kohlenhydrate gegessen werden, werden dementsprechend zur jeweiligen Mahlzeit weniger Fette gegessen und umgekehrt. Dies ist wichtig, weil sonst die Kalorienanzahl schnell deutlich überschritten wird. Außerdem sollte nach dem Krafttraining kein Fett und nur Protein und ggf. Kohlenhydrate gegessen werden. Nutrient Timing spielt auch eine wichtige Rolle, das Carb Timing hat jedoch tatsächlich den größten Einfluss auf die Hormonsignale.
Meal-Timing – immer sinnvoll? Ein Fazit
Der Begriff kann so verstanden werden, dass man feste Zeiten für jede Mahlzeit hat. Dies macht je nach individuellem Tagesablauf keinen Sinn, da es für viele Leute unrealistisch ist. Wichtig ist jedoch schon, feste und regelmäßige Hauptmahlzeiten und Snacks zu haben, denn auch dies wirkt sich positiv auf einen stabilen Blutzucker aus. Das Timen von Meals sollte schon berücksichtigt werden, jedoch auf eine andere Art und Weise: Frühstücken sollte man unbedingt innerhalb von einer Stunde nach dem Aufstehen, damit die gewünschte blutzuckerstabilisierende Wirkung auch eintritt, anderseits fangen schon wieder Stresshormone an, den Blutzucker zu erhöhen.
Ungefähr alle drei Stunden sollte etwas gegessen werden, weshalb ein kleiner Snack zwischen den Hauptmahlzeiten gut ist. Wichtig ist, dass beim Carb Timing die Kohlenhydrate, nach dem Training, wirklich direkt danach eingenommen werden und man keinesfalls länger als eine Stunde damit wartet.